Der neue Wohnhof entsteht als offener klammerförmiger Block, der sich mehrfach ins Quartiersinnere abstuft. Dadurch entstehen mehr Raum für den Innenhof, eine komplexere räumliche Staffelung innerhalb des Baufeldes und erlebbare, von den Wohnungen aus sichtbare Dachflächen. Der geschlossene Hauptriegel entwickelt gegenüber dem öffentlichen Straßenraum eine tiefe, im wahrsten Sinne belebte Fassade in Form eines alternierenden Erker-Balkonmotivs zum Stadtraum. Diese räumlich aufgespannte Außenwand ermöglicht verschiedene Bezüge aus den Wohnungen zum Stadtraum und von diesem zum Neubau. Die Erker sind mit einer transluzenten Pfosten-Riegel-Fassade verkleidet und an vorderseitig angebrachten Netzen ranken sich gleich ‚Grünen Gobelins‘ Kletterpflanzen empor, die die dahinter liegenden Erkerzimmer als Kabinette im Grünen oder Veranden erscheinen lassen. Die Zimmer sind seitlich zu den Balkonen orientiert, so gibt es seitliche und frontale Blickbeziehungen. Durch den Wechsel der Balkone über die Geschosse sind die Freibereiche der Wohnungen zweigeschossig.
Auf dem Straßenflügel werden die Möglichkeiten der Bauordnung für den Aufbau einer zweigeschossigen Staffel ausgenützt. Diese stellt sich als eine Reihe aufgesetzter Reihenhäuser mit Vorgärten für die großen Familienwohnungen dar. Die BewohnerInnen hier verlassen zunächst das Haus und gehen über das grüne Dach durch ihre Vorgärten in ihre eigenen Häuser. Dadurch sind die Wohnungen auch effizient erschlossen. Auf dem Dach der Staffel liegen PV-Anlagen als integraler Bestandteil der Architektur. Zur Etablierung der Traufkante des Straßenriegels entsteht eine Grüne Attika in Form eines Rankgerüsts mit bewässerten Pflanztrögen. Die begrenzten Wuchshöhen der ‚Grünen Gobelins‘ werden durch diesen ‚Grünen Überwurf‘ auf der Traufkante flächenmäßig kompensiert und gestalterisch aufgefangen.
Die Öffnung in der Seitengasse ist als breite Kolonnade konzipiert, in der sich auch die TG-Zufahrt unauffällig einordnet. Der Durchgang zur Rebhanngasse wird dafür wesentlich höher als vorgeschrieben und zitiert mit schräg ausgebildeten Kämpfern einen hohen Bogen. Über die über Eck geführte gebäudehohe Öffnung zum Innenhof wir ein kleiner Brückensteg gespannt der die Zirkulation innerhalb des Ensembles auf der mittleren Ebene ermöglicht. Durch das Zurückweichen des niedrigeren Hofflügels entsteht sogar ein weiterer, interessant gefasster und bespielter Quartiersplatz. Eine zusätzliche Öffnung entsteht neben dem GrätzlHUB zur Stichstraße hin und vernetzt so alle entstehenden Räume miteinander.
Die Erschließung funktioniert höchst effizient über zwei Hauptkerne (weitere Aufzüge könnten jeweils noch ergänzt werden) und Außentreppen als ein, über einen kleinen Brückensteg im 4. OG über die Freiräume auf den Dächern zirkulierender Weg. Alle Wohnungen verfügen so über zwei bauliche Rettungswege. Laubengänge zum kleinen Hofflügel dienen als Begegnungsräume und zusammen mit den Freibereichen der gegenüberliegenden Galeriewohnungen zur Erzeugung einer eigenen Identität eines Galeriehofs. Diese sind ebenfalls bewachsen durch Rankgrün, das aus dem vorgelagerten Grünsaum bzw. vorgehängten Töpfen in den Geschoßen aufwächst. Die Erdgeschosswohnungen sind direkt über vorgelagerte Podeste zu erreichen. Diese sind eine Reminiszenz an die Laderampen der historischen Bahnanlagen und gleichen den Höhenversatz des Erdgeschoßes aus. Unter dem Hofflügel befindet sich im so entstehenden Souterrain die zentrale Fahrradgarage. In den als Terrassen dienenden Podesten am Straßenflügel können Lüftungsöffnungen zur Geringhaltung der technischen Ausrüstung der Tiefgarage integriert werden.
Art des Verfahrens | EU-weiter, offener, einstufiger Realisierungswettbewerb |
Preis | Teilnahme |
Ort | Nordwestbahnhof Wien |
Größe | 17.000 m2 BGF, 192 Wohnungen |
Auftraggeberin | Stadt Wien – Wiener Wohnen |
Zeitraum | 07-08/2024 |
Kooperation | SWECO GmbH Berlin |
Die Dachflächen sind für alle Bewohner des Hauses (und deren Freunde) zu begehen und zu nutzen. Ein sonst exklusives wenngleich charakteristisches Thema im Wiener Stadtbild – opulent begrünte Penthouse-Gärten auf den historischen Zinshäusern – wird hier einer großen Zahl von Menschen zugänglich und erlebbar. Die untere Dachebene dient dabei zum gemeinschaftlichen Gärtnern mit Hochbeeten, Wasseranschlüssen und einem offenen gewächshausartigem Gestell mit PV-Anlage auf dem hofseitigen Dachabschnitt. Der anfallende Bioabfall der Bewohner soll hier, kompostiert in entsprechenden Behältern, seine Weiterverwendung finden. Das obere Dach erscheint als kleines verwunschenes Himmelswäldchen auf Pflanzhügeln. Zwischen den Hügeln kann in Hängematten ‚abgehangen‘, in Badezubern oder Planschbecken gebadet oder an Tischen zusammen gefeiert werden. Das alles mit einem großartigen Blick über den Schulcampus hinweg zum Park und weiter bis zur Innenstadt.
Wichtiges Element für die Funktion des neuen Wohnhofs ist die Blau-Grüne Infrastruktur als erlebbare funktionale Qualität in den Freiräumen und als Versorger für die Grünstrukturen in Freiräumen und am Gebäude. Das System beinhaltet die Rückhaltung von Regenwasser zunächst auf den Dächern, dann die Versickerung in den Freiräumen im Hof und Zisternen mit Frischwassernachlauf für Bewässerung von Fassaden und Dachbegrünung.
Im Hof und in der Seitengasse entstehen dazu klimaresilient und ‚geplant wild‘ bepflanzte Versickerungsmulden. Dazwischen finden sich vielfältige Spielangebote, ein Platz zum ‚Rummatschen‘ und ein Hühnerstall. Ein besonders charakteristisches und schönes Grünelement bildet der 2m breite umlaufende Pflanzstreifen entlang der Straßenfassaden. Über, diesen scheinbar überspannende Betonbrücken gelangt man in die erdgeschossigen Nutzungen. Aus diesem ‚Grünen Saum‘ erwachsen aller drei Achsen die ‚Grünen Wandteppiche‘ entlang der Erkerfassaden. Im Erdgeschoss wirken sie wie grüne Vorhänge vor den Nutzungen und machen so das Fassadengrün, wie in den Erkerzimmern, auch hier im Inneren erlebbar.
Das Gebäude ist über ein immergleiches Raster von 2,85m strukturiert. In diesem entstehen verschiedenste Wohnungstypen je nach ihrer Lage im Ensemble und Ausrichtung ihrer wohnungsbezogenen Freibereiche. Die Grundtypen sind dabei die Erker-Balkon-Typen entlang der Straßenfassaden, die Galeriehoftypen mit ihren großen ‚Außenzimmern‘, beidseitig orientierte Laubengangtypen, Balkontypen mit Weitblick, Terrassenwohnungen im Hochparterre und die zweigeschossigen Reihenhaustypen auf dem Dach. Diese Grundtypen wiederum gliedern sich jeweils in die geforderten Typen A-E und klein, mittel, groß auf. Innerhalb der Grundtypen können so alle Größentypen abgebildet werden und in meisten Fällen auch als barrierefreie Wohnung bzw. rollstuhlgerecht ausgelegt werden. Hierzu würden die Türanordnungen modifiziert, Bäder zusammengelegt, oder schlicht Möblierungen geändert. An Eingängen und in Küchen wird der notwendige Platz standardmäßig vorgehalten. Somit sind die barrierefreien Wohnungen auch nicht im Gebäudelayout fixiert, sondern können im Planungsprozess nach Bedarf konkret festgelegt werden. Somit werden über der einheitlichen Gebäudestruktur für jeden Geschmack grundsätzlich verschiedene Wohnformen angeboten, kombiniert mit allen für die jeweiligen Lebenslagen benötigten Größen/Zimmerzahlen je Wohnform. Der konkrete Wohnungsmix für die ‚Startkonfiguration‘ des Gebäudes ist so für den weiteren Projektverlauf flexibel und kann fein justiert werden. Umgekehrt können Wohnungen später je nach Lebenslage und Typ zusammengelegt oder getrennt werden, Zimmer getauscht oder anders gewidmet werden. Ermöglicht wird diese Flexibilität durch die regelhafte Tragstruktur und das einheitliche Schachtsystem, das auch die Spiegelung von Wohnungen ermöglicht. Wichtig für die Entwicklung des Projektes und der Motive für die Grundrisstypologien war es, die Großzügigkeit klassischer Wiener Wohnungen auch auf kleinstem Raum zu ermöglichen. Das Thema Enfilade und Flügeltüre und die einhergehende Zirkulationsmöglichkeit in den Wohnungen wird mit Schiebetüren an der Fassade und frei gestellten Badkernen zitiert. So gibt es immer mehrere Wege innerhalb der Wohnung und über die Freibereiche der Wohnungen.