Raum und Ort
Der Waageplatz fungiert als Bindeglied zwischen der Innenstadt und dem Masch-Straßen-Viertel und liegt direkt am Leinekanal, unmittelbar an der Staatsanwaltschaft und den grünen, denkmalgeschützten Wallanlagen der Stadt Göttingen. Als Teil des Sanierungsgebiets „Nördliche Innenstadt“ im Förderprojekt „Soziale Stadt“ erhält der Waageplatz die Möglichkeit, sich von einem Durchgangsraum zu einem lebendigen, grünen Stadtplatz zu entwickeln. Die heutige Gestaltung erhielt der Waageplatz im Jahr 1979. Mit einem flachen Brunnen in der Mitte, symmetrisch angeordneten Rasenflächen und Wegen, (ehemals) kugelförmig beschnittenen Robinien und unter Denkmalschutz stehendem schmiedeeisernen Stabgittergeländer als Barriere zum Leinekanal war er als repräsentativer Vorplatz für das Gebäude der Staatsanwaltschaft geplant. Der Platz mit einer Fläche von ca. 2.535 m2 ist aktuell ein Treffpunkt für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen und wird für regelmäßige kleinere Veranstaltungen (z.B. Weinfest, Nacht der Kultur) genutzt. Die Aufenthaltsqualität entspricht jedoch nicht mehr den heutigen Anforderungen der Nutzer:innen, obgleich die Lage am Leinekanal und die Nähe zur Innenstadt mit der zentralen Fußgängerzone eine erhebliche Lagegunst darstellt. Die derzeitige Gestaltung des Waageplatzes weist fehlende Möglichkeiten zum Aufenthalt, Spielmöglichkeiten für Kinder und Angebote für Jugendliche auf. Negativ wirkt sich auch der Leerstand einiger angrenzender Gebäude aus.
Konzept
Das Konzept sieht vor, den Waageplatz in eine hybride Plattform umzuwandeln, die sowohl intensive Nutzungen eines städtischen Platzes als auch Erholungsfunktionen eines Pocket-Parks vereint. Die Verkehrsströme der Passant:innen geben den Landschaftspartien eine sinnliche Form, definieren Wegverbreiterungen und ermöglichen reibungsloses Passieren. Durch eine bewusst organische Gestaltung wird der Waageplatz betont und bietet gleichzeitig ausreichend Platz für regelmäßige Feste und Veranstaltungen. Ein einheitliches Gestaltungskonzept und eine feine Abstufung der Materialien verleihen der Plattform eine räumliche Fassung und bringen sie gleichzeitig mit dem gegenüberliegenden Robert-Gernhardt-Platz in Verbindung. Insgesamt entsteht kein klassischer Stadtplatz, sondern ein Hybrid mit Orten zum Aufenthalt & Spiel, Mobilität & Leitung und Grünflächen mit hoher ökologischer und klimapositiver Wertigkeit.
Detail und Materialität
Die Gestaltung des Waageplatzes wird maßgeblich durch den konsequenten Einsatz von Granitpflaster geprägt, um ein Kontinuum zur Innenstadt herzustellen. Durch sorgfältige Detailarbeit werden zahlreiche Platten mit Rasenfugen umgeben, wodurch ein sanfter Übergang zu den grünen Bereichen des Entwurfs entsteht. Das durchgrünte und feingliedrige Design ist charakteristisch für den Waageplatz und ermöglicht gleichzeitig Flexibilität. Wichtige Fußwegeverbindungen sind davon ausgenommen, um eine barrierefreie Durchquerung zu gewährleisten.
Art des Verfahrens | nicht-offener freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb |
Preis | 1.Preis |
Ort | Göttingen |
Jahr | 2023 |
Größe | 0,25 ha |
Visualisierung | Lindenkreuz Eggert GbR |
Bearbeitungsstand | derzeit Erbringung LPH3 |
Retention und Ökologie
Die gestalterische Integration von offenen Mulden auf dem Waageplatz erfüllt einen wichtigen Zweck im Rahmen des nachhaltigen Regenwassermanagements. Das Ziel ist es, das anfallende Niederschlagswasser gezielt zu lenken und zu speichern, um einen verantwortungsvollen Umgang zu gewährleisten. Zusätzlich werden Zisternen eingesetzt, um das gesammelte Wasser zu speichern und es für die Bewässerung bereit zu halten. Die westlichen grünen Inseln mit artenreichen Gehölzen und einer Unterpflanzung aus heimischen Stauden bilden dabei ein schützendes Rückgrat und bringen einen Blühaspekt über das gesamte Jahr. Wichtige Blickbeziehungen zur Staatsanwaltschaft sind offen und durchlässig gestaltet.
Dieser nachhaltige Entwurfsansatz spiegelt das Bestreben wider, eine erhöhte Resilienz gegenüber den anstehenden klimatischen Veränderungen zu schaffen. Erreicht wird dies unter anderem durch die Minimierung von Versiegelung, den hohen Durchgrünungsgrad und die Verwendung von hellen Belagsflächen. Bei der Auswahl der Gehölze (Nothofagus antarctica, Eleagnus angustifolia, Prunus padus,…) wird auf eine Mischung aus standort- und klimaangepassten Arten geachtet, um ein vielfältiges Spektrum zu schaffen und gleichzeitig Lebensraum für Insekten und Tiere zu bieten. Der Unterhaltungs- und Pflegeaufwand wird dabei bewusst auf ein möglichst extensives und klimaangepasstes Maß reduziert.
Spielen und Feiern
Dank seiner verspielten Raumkompositon und vielseitigen Bodenmaterialien wird der Waageplatz zur Bühne für festliche Anlässe und Veranstaltungen. Eine großzügige Multifunktionsfläche, deren robuster Untergrund aus wassergebundener Wegedecke besteht, kann auf unterschiedliche Weise genutzt werden und verleiht dem Platz das ganze Jahr über eine angenehme Weite. In der Mitte befindet sich eine Tanzbühne, wo Konzerte oder Theaterstücke vorgeführt werden oder Boules gespielt werden kann.
Gegenüber der Multifunktionsfläche erstreckt sich das faszinierende Spielelement des Waageplatzes. Eine feine Modellierung aus Beton formt eine geschwungene Struktur, die zum Erkunden und Entdecken einlädt. Der Rand umschließt einzelne Sitzelemente, Sandspielplätze und einen Trinkbrunnen. Trittsteine laden zum Spielen und Hüpfen ein. Auch der typische Göttinger Schöpflöffel ist in dem Spielelement integriert und erzählt ein Stück Stadtgeschichte. Ein kleines Dach spendet Schatten.
Ausstattung und Stellmöglichkeiten
Die Brücke an der Stockleffmühle erfährt eine neue Gestaltung und verwandelt sich in Richtung der Mühle zu einem kleinen Stadtbalkon. Hier können Besuchende verweilen, um den Leinekanal zu beobachten. Mit der Wiederbelebung der Mühle bietet sich hier auch die Möglichkeit, eine Außengastronomie anzusiedeln.
Auf dem Waageplatz finden sich verschiedene Sitzgelegenheiten, darunter Holzbänke, Hocker und bauliche Elemente wie Sitzaufkantungen. Die Beleuchtung des Platzes erfolgt durch niedrige Mastleuchten, die insekten- und fledermausfreundlich sind.
Am Eingang der Staatsanwaltschaft sind zahlreiche Fahrradbügel vorhanden, um eine bequeme Abstellmöglichkeit zu bieten. Die Zufahrtstraße wird ökologisch umgestaltet, indem die Stellplätze mit Rasenlinern ausgestattet werden und in ein grünes Band mit Mulden integriert sind. An der Mauer der ehemaligen JVA wird eine Fassadenbegrünung ergänzt.